Wenn Unternehmen neue Verwaltungssoftware einsetzen, hoffen sie normalerweise, dass hierdurch Geschäftsprozesse beschleunigt und Kosten gesenkt werden. Doch was geschieht, wenn eine Systemumstellung den gegenteiligen Effekt hat?
So geschah es auch bei RightSource, der Versandhandelsabteilung von Humana Pharmacy Solutions. Hier wurde ein neues PMS-System (Pharmacy Management System) implementiert, doch es stellte sich heraus, dass Abläufe verzögert wurden und unbearbeitete Bestellungen aufliefen – eine Entwicklung, die sowohl für das Unternehmen als auch für seine Kunden – Patienten und Ärzte – äußerst negativ war.
Da sich Reklamationen von Kunden rasch häuften, musste RightSource herausfinden, was schief lief und wie es behoben werden konnte. Mit Minitab und Lean Six Sigma konnte das Unternehmen den Prozess verbessern und die Abläufe zum Einlösen von Rezepten optimieren.
Die Herausforderung
RightSource ist eine moderne Versandapotheke und der fünftgrößte Anbieter für Apothekenleistungen in den Vereinigten Staaten. Wie das Mutterunternehmen Humana ist das Unternehmen ständig bemüht, sein Ziel zu erfüllen: lebenslanges Wohlbefinden für seine Kunden. Dieses Ziel war auch der Grund für die Migration zu einer neuen Plattform, die wertvolle, kundenorientierte Tools und komplexe Workflowprozesse bot.
Diese Entscheidung erwies sich aber als kontraproduktiv. Kurz nach der Einführung stellte sich heraus, dass die Workflow-Warteschlangen überliefen. Schnell wurde ein Lean Six Sigma-Team zusammengestellt, um das Problem zu analysieren und zu beheben.
Das Team analysierte den Prozess genauer und stellte fest, dass die Mitarbeiter im Regelfall problemlos Rezepte einlösen konnten – d. h. mit dem Standardablauf, bei dem keine zusätzlichen Schritte erforderlich waren. Die Verzögerungen traten bei Ausnahmen auf, wenn mehr Schritte nötig waren, weil bei einem Rezept Rücksprache mit dem Anbieter, dem Mitglied oder einem Dritten zur Kostenübernahme erforderlich war.
Nun mussten die Ursachen hierfür ermittelt werden.
Einsatz von Minitab
Um diesen „Ausnahmepfad“ genauer zu untersuchen, überprüfte das Team den Bericht zu offenen Bestellungen für Rezepte, die nach der Implementierung des neuen Systems eingereicht wurden. Mit einem Pareto-Diagramm in Minitab konnte das Team ermitteln, dass sich fast 43 % der offenen Bestellungen, bei dem Vorgänge seit mindestens 10 Tagen nicht bearbeitet wurden, in der Warteschlange für die Rücksprache mit dem Anbieter befanden.
Mithilfe des Pareto-Diagramms von Minitab konnte RightSource feststellen, dass die meisten Rezepte, die nach 10 oder mehr Tagen immer noch nicht bearbeitet waren, in der Warteschlange für die Kontaktaufnahme mit dem Anbieter zurückblieben.
Außerdem wurde festgestellt, dass bei vielen der Mitglieder, die wegen Verzögerungen bei Rezepten anriefen, Bestellungen in der Warteschlange für eine Rücksprache mit dem Anbieter hingen. Eine weitere Analyse zeigte, dass die Produktivität bei Rückfragen mit dem Anbieter seit der Einführung des neuen Systems um 39 % gesunken war.
Der Wechsel zu dem neuen System schien also die Produktivität der Mitarbeiter bei der Bearbeitung von Bestellungen beeinträchtigt zu haben, bei denen eine Rücksprache mit dem Anbieter erforderlich war. Diese Verzögerungen führten zu nicht mehr tolerierbaren Metriken für den Bestand an offenen Bestellungen und die Bearbeitungszeit.
Mit diesem Wissen setzte sich das Team drei Ziele:
- Den WIP-Bestand um 40 % reduzieren, der seit 10 oder mehr Tagen in der Warteschlange für die Kontaktaufnahme mit dem Anbieter zurückblieb.
- Die Produktivität bei der Kontaktaufnahme mit dem Anbieter um 20 % verbessern.
- Die Kosten um 20 % senken.
Um die Ursachen für die Probleme beim Bestand an offenen Bestellungen zu ermitteln, betrachtete das Team Daten zur Rücksprache mit dem Anbieter und setzte erneut Pareto-Diagramme in Minitab ein – in diesem Fall zum Ermitteln von vier möglichen Ursachen für die Verzögerungen: falsche Adresse, Antwort des Anbieters, falscher Überweisungsgrund und erneutes Aufgeben von Bestellungen.
Um die Produktivität bei der Rücksprache mit dem Anbieter zu untersuchen und durch den Übergang zum neuen PMS-System verursachte Abweichungen zu ermitteln, wurden die Produktivitätsdaten von Mitarbeitern mit unterschiedlich langer Erfahrung an verschiedenen Standorten untersucht. Das Team legte mit Boxplots und Tortendiagrammen vier mögliche Ursachen fest: unnötige Rücksprache mit dem Anbieter, Systemlatenz, Schritte ohne Wertschöpfung und uneinheitliche Abwicklung.
Das Lean Six Sigma-Team von RightSource nutzte dann die Hypothesentests von Minitab, um einige der Ursachen zu prüfen. Das Team bestätigte z. B. mit einem Test von Anteilen bei zwei Stichproben eine signifikante Differenz beim Bestand an offenen Bestellungen aufgrund von falschen Überweisungen nach Einführung des neuen Systems. Mit dem gleichen Test wurde eine statistisch signifikante Differenz beim Bestand an offenen Bestellungen aufgrund von falschen Adressen sowie eine signifikante Differenz bei der Produktivität durch Schritte ohne Wertschöpfung gezeigt.
Schließlich suchte das Team mit einer einfachen ANOVA und paarweisen Vergleichen nach Tukey nach Differenzen in der durchschnittlichen Leistung der besten, mittleren und schlechtesten Mitarbeiter. Dabei wurden statistisch signifikante Differenzen zwischen den Gruppen ermittelt, und es wurde festgestellt, dass die Leistung mit der Erfahrung korrelierte – je erfahrener die Mitarbeiter waren, umso höher war ihre Produktivität. Eine Neuanordnung der Mitarbeiter nach Erfahrung und eine grafische Darstellung dieser Differenz in einem Minitab-Boxplot hob die Möglichkeit hervor, dass fehlende Erfahrung möglicherweise zu den Verzögerungen bei der Bearbeitung der Rezepte führte.
Nachdem klar war, weshalb die Rezepte in der Warteschlange für die Rücksprache mit dem Anbieter nicht weiterbearbeitet wurden, führte das Team ein Brainstorming zu 14 möglichen Lösungen durch. Anhand einer Auswirkungsmatrix wurden die Kosten, der Nutzen und der Aufwand für jede einzelne Lösung ermittelt und die Auswahl auf fünf Lösungen eingegrenzt:
- Weiterbildung der Mitarbeiter zur korrekten Eingabe der Adressen, damit Bestellungen nicht in den Ausnahmenpfad umgeleitet werden.
- Weiterbildung der Mitarbeiter, damit sie die Gründe für Umlagerungen richtig erkennen können, um den WIP-Bestand zu reduzieren.
- Weniger erfahrene Mitarbeiter erhalten Anleitungen, die von Spitzenkräften entwickelt werden.
- Im NVA-Prozess wurden mehrere Schritte eliminiert.
- Verkürzung der Verzögerungszeit bei der Kontaktaufnahme, die die Antwort des Anbieters verzögerte.
Aufgrund der Erkenntnisse aus der Datenanalyse war das Team zuversichtlich, dass die Umsetzung dieser fünf Lösungen die aufgetretene Ineffizienz deutlich verbessern würde.
Es stellte sich z. B. heraus, dass die Ursache für den Prozess ohne Wertschöpfung ein IT-Problem war. Als das Team die Schritte ohne Wertschöpfung in einer Testumgebung entfernte, konnte durch einen t-Test bei zwei Stichproben in Minitab bestätigt werden, dass die Änderungen statistisch signifikant waren. Und mit dem Test von Anteilen bei zwei Stichproben in Minitab bestätigte das Team außerdem, dass die verzögerten Antworten des Anbieters abnahmen und die Schulung der Mitarbeiter dazu führte, dass sie Adressen und Überweisungsgründe korrekt eingaben.
Ergebnisse
Als das Lean Six Sigma-Team von Right Source diese Lösungen umsetzte, übertrafen die Ergebnisse ihre Erwartungen. Das Unternehmen konnte den Bestand der seit mindestens 10 Tagen ruhenden Bestellungen um über 40 % reduzieren, die Produktivität wurde um 30 % gesteigert und die Reaktionszeit des Anbieters um 2 % verbessert.
Das Unternehmen konnte nicht nur seine vorher festgelegten Ziele übertreffen, sondern auch Geld sparen. Insbesondere wurden die Arbeitskosten durch das Entfernen der Schritte ohne Wertschöpfung um beeindruckende 32 % verringert.
Damit die Verbesserungen von Dauer sein würden, hat RightSource einen Kontrollplan eingeführt. Dazu gehört die Überarbeitung von Standardarbeitsanweisungen, die Verbesserung von Schulungsprogrammen, die Aktualisierung von IT-Unterlagen u.v.m.
Außerdem wurden betriebliche Dashboards erstellt, mit denen wichtige Leistungskennzahlen wie der tägliche Bestand an offenen Bestellungen verfolgt wurden, und die Verantwortlichen für die Lösung wurden benannt, damit sie den Prozess überwachen und sicherstellen konnten, dass Änderungen unter Kontrolle blieben. Das Unternehmen analysiert und überprüft die Produktivitätsdaten jetzt in monatlichen Besprechungen und hat Notfallpläne ausgearbeitet, um auf Abweichungen im neuen Prozess reagieren zu können.
Mit der datengestützten Antwort von RightSource konnte schnell ein außer Kontrolle geratener Prozess wiederhergestellt werden, und Minitab konnte sicherstellen, dass die Verbesserungen effektiv und nachhaltig waren. Durch den Einsatz des Teams wurde das Wohlbefinden der Patienten verbessert, und dem Unternehmen wurde der J.D. Power Award for Highest in Customer Satisfaction with Mail-Order Pharmacies verliehen – ein Rezept für Erfolg, das gerne eingelöst wurde.
Diese Fallstudie basiert auf der Präsentation, die RightSource beim ASQ-Wettbewerb 2014 für den International Team Excellence Award eingereicht hat. Die Präsentation steht ASQ-Mitgliedern zur Verfügung. Die Anmeldung ist kostenlos. RightSource-Präsentation herunterladen.
Organisation
RightSource
Übersicht
- Geschäftsbereich Versandhandel bei Humana Pharmacy Solutions
- Fünftgrößter Anbieter für Apothekenleistungen in den Vereinigten Staaten
- Ausgezeichnet mit dem J.D. Power Award 2015 für die höchste Kundenzufriedenheit bei Versandapotheken
Herausforderung
Abbau von Verzögerungen bei der Bearbeitung von Rezepten
Verwendete Produkte
Minitab® Statistical Software
Ergebnisse
- Senkung des WIP-Bestands von 10 oder mehr Tagen um mehr als 40 %
- Steigerung der Produktivität um 30 %
- Senkung der Arbeitskosten in verschiedenen Gruppen um bis zu 32 %